Lokomotivzubehör

Nun einige Bemerkungen über das Lokomotiv-Zubehör. Die Entwicklung der Steuerung war als interessantes Studium Gegenstand vieler gelehrter Abhandlungen. Wie wir sahen, geht die Nutzbarmachung der Dampfdehnung bis auf die Tage von Jooch und Robert Stephensons Firma um 1840 zurück. Eine primitive Form der Expansions-Ausnutzung zeigte schon die amerikanische Versuchsmaschine von James 1831. Bei diesen Problemen ging es darum, den Kreislauf der Einströmung, Expansion und Ausströmung in den Zylindern früher durch das sogenannte Voreilen eintreten zu lassen. Das geschah durch Einführen der Kulisse (gebogen bei Gooch und Stephenson, gerade bei Alexander Allan), die den Umsteuerhebel näher an seinen zentralen (neutralen) Punkt legte, so daß der Dampf wirtschaftlicher, weil schneller, strömen konnte. Mit Aufkommen dieser Steuerung war erstmalig ein wirklicher Schnelllauf über eine große Entfernung möglich. Mit den alten nicht expandierenden Steuerungen verbrauchten die Lokomotiven mehr Dampf, als der Kessel überhaupt erzeugen konnte.
Radialschiebersteuerungen, wie sie im Dampfbetrieb dann allgemein gebräuchlich waren, entstanden im westlichen Mitteleuropa. Egide Walschaerts hieß einer der drei belgischen Großen (die anderen waren Alfred Belpaire und - verhältnismäßig viel jünger - J. B. Flamme). Walschaerts erstes Patent wurde 1844 erteilt, wichtiger wurde seine abgebildete Verbesserung von 1848.

Völlig unabhängig von ihm erfand im folgenden Jahr Edmund Heusinger in Deutschland die gleiche Steuerung. Trotz der Verwandtschaft des Systems wurde hier keinerlei Urheberrecht verletzt. Heusinger von Waldegg (wie er nach seiner Erhebung in den Adelsstand hieß) erkannte offen und anständig Walschaerts Priorität an. Diese beiden ersten Radialsteuerungen verwendeten die Schwünge als neues Element. Die Verwendung einer Schwingenkurbel anstelle des Exzenters war Heusingers Werk, die Steuerung wurde deshalb später nach beiden Männern genannt, je nach Gewohnheit der Techniker des betreffenden Landes. Von einer Verletzung von Patentrechten ist bei beiden keine Rede, sie gerieten aber auch nicht in bittere Armut wie seinerzeit der gute Richard Trevithick. Mehrere jüngere amerikanische Steuerungen gehören in die Walschaerts-Heusinger-Familie. Eine im späten neunzehnten Jahrhundert viel verwendete englische Steuerung von einigem Interesse war die von David Joy (dem mutmaßlichen Konstrukteur der früher schon erwähnten Jenny Lind-Maschine). 

An Hand einer Zeichnung einer Joy-Steuerung lässt sich erkennen, daß sie ohne Exzenter und Umkehrkurbel-Betätigung auskam. Diese Vereinfachung wies jedoch den Nachteil auf, daß die Kurbelstange durchbohrt werden musste. Das mochte angehen, wenn die Lokomotive klein war, konnte aber bei großen Maschinen und hoher Geschwindigkeit zu bösen Brüchen führen. Die Steuerung kam auf verschiedenen englischen Bahnen in Mode, besonders bei der North Eastern und der London and North Western Railway. In den frühen achtziger Jahren wurde sie von den Altoona Works bei Pennsylvania Railroad eingeführt, die Abmessungen der amerikanischen Lokomotiven der London and South Western Railway von William George Beattie einbohrte Kurbelstangen wenig wünschenswert erschienen.

Zu jener Zeit herrschten noch überall Flachschieber vor, obgleich mit dem Aufkommen höherer Dampfdrücke die Verwendung von Kolbenschiebern notwendig wurde. Diese gab es bereits seit Mitte der siebziger Jahre, sie waren in einige Lokomotiven der London and South Western Railway von William George Beattie eingebaut, dem Sohn des Mannes, der so geschickt mit Feuerbüchsen und Speisewasservorwärmern umgehen konnte. Die Sache erwies sich als verfrüht. Die metallurgischen Kenntnisse hinkten hinter der Praxis her. Es gab eine Reihe schwerer Versager, und soweit es die South Western Company betrifft, flog W. G. Beattie "raus". Zu seinem Nachfolger wurde der ehemalige italienische Seeoffizier W. Adams berufen. Moderne Ideen können einem Mann mitunter teuer zu stehen kommen. Glücklicherweise hatte der alte Joseph Beattie sein Wunderkind wohlversorgt hinterlassen.
Die Dampfdrücke stiegen weiter, allerdings in der Zeit von 1850 bis 1900 ziemlich vorsichtig. Sie hatten gegen Ende des Jahrhunderts 11,5 kg/cm2 erreicht. Was einst als wunderbar galt, war jetzt allgemein üblich, während der später normale Druck von 14 kg/cm2 noch als sensationell galt.
Steigende Drücke lenken das Augenmerk auf die Kessel-Sicherheitsventile. Das alte gewichtsbelastete Ventil war für Lokomotiven nicht recht geeignet, obwohl es Kessler und Maffei in Deutschland eine Zeitlang einbauten. Bei Fahrt über Unebenheiten im Gleis konnte die Maschine das Gewicht nach oben stoßen und dabei wertvollen Dampf verlieren. Als besser erwies sich, den Hebel durch Federspannung im Gleichgewicht zu halten, wie es jahrelang Brauch wurde. Aber am Sicherheitsventil ließ sich herumdoktern, und Unfälle durch solche Operationen führten zur Erfindung anderer Bauarten. Naylors Seitenhebel-Type, eingebaut in die Finnland-Maschine Nr. 11, erlaubte noch Eingriffe, sie hatte auch die Gewohnheit steckenzubleiben, um dann mit einem ohrenbetäubenden Krach aufzugehen.

Eines der frühesten und zugleich besten alten Sicherheitsventile war das von John Ramsbottom von der London and North Western Railway, das in den späten fünfziger Jahren patentiert und an der Lok Nr. 471 der London und South Western ausprobiert wurde. Sein modus operandi ist wie bei den Steuerungen leicht zu übersehen, es wurde außer in Nordamerika, wo man in den neunziger Jahren direkt belastete Sicherheitsventile einführte, viel verwendet. Man baute es in Säulen oder Hauben, welche Eingriffe von Maschinisten abhielten. Ein schönes Exemplar war das Ashton-Sicherheitsventil, ein anderes das in Nordeuropa viel verwendete Richardson-Ventil, üblich in Schweden und Finnland. Hübsche kleine in Messing-Säulen gekapselte direkt belastete Ventile blieben lange in Schottland und Australien populär. Sie waren meist am Dom montiert, und es war unmöglich, an ihnen herumzuspielen, genauso wenig wie am Wilson-Ventil, das dem von Ramsbottom ähnelte und besonders in Belgien beliebt war. Es trug aber die Federn innerhalb der Säulen und erhob sich gegen den Druck statt durch Spannkraft, hob dann aber mit Federspannung konische Kappen von den Säulen ab.
Der Druck wurde anfangs an einer Skala des Federgewichts-Sicherheitsventils abgelesen. Dauerhaft erwies sich Bourdons Druckmesser, bei welchem der Dampfdruck auf eine gebogene, abgeflachte Röhre wirkte, deren sich begradigende Tendenz einen Zeiger vor einem Zifferblatt in Bewegung setzte.
Hör des Zuges P f ei f en! ging eine alte amerikanische Ballade. Über den Ursprung der Dampfpfeife, welche später in gleicher Weise unter Druckluft bei elektrischen Zügen arbeiten sollte, gibt es vielerlei Erklärungen. Die erste Dampfpfeife wurde von Adrian Stephens, einem Cornwall-Mann, erfunden, der wie Trevithick nach Süd-Wales ging und, vielleicht schon 1826, solch eine Pfeife am Sicherheitsventil eines stationären Kessels anbrachte, das auch mit einem Schwimmer zur Kontrolle des Wasserstandes ausgerüstet war. Um 1833 war sie bereits in Gebrauch. Der Pfiff wurde durch Einwirken eines ringförmigen Dampfstrahles gegen eine frei hängende Messingglocke oder eine Schale erzeugt. 1835 scheint man sich ihr als Warngerät für Lokomotiven zugewandt zu haben, unabhängig davon erhielt aber im gleichen Jahr eine englische Lokomotive der alten Leicester and Swannington Railway nach einem Unfall an einer Straßenkreuzung eine Dampftrompete. Die Pfeife erwies sich ihr überlegen, seitdem finden wir sie in den verschiedensten Formen und mit mancherlei Klängen, vom lustigen Pfiff in England und Mitteleuropa bis zum melancholischen huuh-huuh-Akkord Nordamerikas und Russlands, von dem markerschütternden Gekreisch in Frankreich bis zum majestätisch tiefen Heulen - zustande gebracht durch ein Miniatur-Röhrenorgan -, an das sich noch viele Schotten erinnern. Derartige Spielarten gibt es in der ganzen Welt je nach Einfluss des Herstellers.
Anfangs wurden die Lokomotivkessel von der Maschine selbst mittels Pumpenkraft gespeist. Das bedeutet, daß diese in Tätigkeit trat, sobald der Wasserstand im Kessel absank. Die Handhabung erwies sich nicht immmer als einfach, zumal wenn das Objekt in irgendeinem Bahnhof abgestellt war. Der Injektor, der mittels eines Strahles Frischdampf aus dem Kessel das Speisen besorgte, wurde von Henri Giffard, einem berühmten Franzosen, erfunden, der 1852 auch den ersten lenkbaren und durch Maschinenkraft bewegten Flugapparat baute (ein wasserstoffgefülltes Luftschiff). Das Prinzip bestand darin, daß der Dampf zuerst alle Luft aus dem Apparat blies und anschließend das Ansaugen von kaltem Füllwasser bewirkte. Der Dampf kondensierte, und die so entstandene Mixtur, die durch zwei gegenüberliegende Düsen rauschte, besaß noch so viel Kraft, durch ein Ventil in den Kessel gegen den Druck des letzteren zu strömen. Die Giffardsche Erfindung wurde zuerst 1859 an einer Lokomotive ausgeführt, sie war der Prototyp aller späteren Formen, obwohl die ersten nur mit kaltem Wasser arbeiteten. Heißwasserinjektoren sind relativ modern. Lokomotiven mit alten Speisewasservorwärmern, wie der von Beattie in Südengland, besaßen statt dessen Hilfs-Dampfpumpen.

Aus der Welt der Eisenbahn.

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